Frankfurter Stadtteile im Wandel

7000 Jahre Sossenheim: Von der großen Steinzeitsiedlung der Linienbandkeramik zum Straßenbauerndorf, heute Frankfurter Pendlervorort am Grüngürtel

Eine erste Stadtchronik in Hessen ist vom katholischen Pfarrer Wigand Gerstenberg   aus Frankenberg, der 1506 seine Stadtchronik für den niederhessischen Landgrafen Wilhelm II. verfasste. Die Handschrift ist in der Universitätsbibliothek Kassel online.  Die früheste Ortschronik eines Frankfurter Stadtteils ist nach meinen Recherchen die von 1859 vom Vorort Nied.  

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1.    Wie kam‘s zur Sossenheimer Chronik?

Anlass meiner Recherche der Stadtteilgeschichte war zum einen die Aktualisierung der Ortschronik von Adalbert Vollert  von 1980 und zum anderen das 800-jährige Ortsjubiläum 2018 mit drei Sossenheimer Ausstellungen. Die erste, „Altes Gewerbe in Sossenheim“, fand vom 08.09. - 14.09.2018  in einem Autohaus statt. Die zweite, „Sossenheimer Künstler“, in einer Bankfiliale vom 20.09.2018 – 05.10.2018. Die größte Ausstellung, „Sossenheimer Geschichte“, die der Unterzeichner federführend vorbereitete, war vom 21.09.2018 – 05.10.2018 im Sossenheimer Volkshaus und hatte 800 Besucher. Von Sossenheim vor 7.000 Jahren bis 2018 wurden an je 40 Wandtafelseiten und Stellwänden in verschiedenen Sektionen Urkunden, Funde aus der Stein- und Römerzeit, alte Plakate, Postkarten, Flugblätter, Zeitungen, alte und neue Fotos, Fahnen und Bilder mit Beschreibungen und Schlaglichtern zu wichtigen Themen gezeigt. Viele Sossenheimer Bürger haben mit ihren Leihgaben zum Erfolg dieser Ausstellung beigetragen.  

Mit dem Arbeitstitel „800 Jahre Sossenheim (1218-2018) – Bauerndorf, Industriearbeitersiedlung, Vorstadt am Grüngürtel – Stadtteilchronik bis 2018 mit Schlaglichtern“ begann meine Arbeit.

Frühere, kürzere Chroniken Sossenheims waren aus der Sossenheimer Zeitung bekannt, verfasst vom Lehrer Hans Busch 1918, vom Gemeindesekretär Ernst Lorbeer 1926, dem Lehrer Heinz Friedrichs 1928/1929, den drei katholischen Pfarrern Peter Wassmann 1916 , Leo Peter 1957 , Paul Preuß 1963 sowie 1911 von dem evangelischen Pfarrer Ludwig Deitenbeck , von Werner Reinhardt  aus Sossenheim West 1968. Volker Wirtgen schrieb eine Chronik für die Broschüre „800 Jahre Sossenheim“.

Drei Chroniken Sossenheims sind online: auf der Homepage der Stadt Frankfurt bis 2005 mit dem Video „Frankfurt Sossenheim - vielbegabt“ , der Edith-Stein-Schule vom ehemaligen Konrektor Ingo Großhans , auf der Homepage „Sossenheim Online“ von Stefan Jüptner  und „Heimat- und Geschichtsverein Sossenheim“ vom Autor. Online sind ebenfalls der lesenswerte Artikel „Sossenheim“ in Wikipedia , LAGIS und vom Autor in Academia  sowie zehn alte Fotos von Sossenheim .

 

„Ziel meines Buches ist die Neuauflage und Fortführung der Sossenheim-Chronik unter Ausschöpfung der heutigen technischen Möglichkeiten.“

2.    Wie entstand die Sossenheimer Chronik?

Die digitale Revolution ermöglicht heute den Online-Zugriff auf viele historische Urkunden, Karten, Fotos, Zeitungsberichte, Vereinsfestschriften etc. Sossenheims. Die Eingabe „Sossenheim“ ergab folgende Treffer für Online-Abfragen:
        
1.836 in der Datenbank des Institut für Stadtgeschichte , 1.616 Archivdatenbank in der Datenbank von Arcinsys  und 241 in der Datenbank der Frankfurter Museumsbibliotheken , 573 in dem Archiv Portal Deutsche Digitale Bibliothek , LAGIS   mit 333 Flurnamen, Zeitungssammlung Universitätsbibliothek 1905-1936 Sossenheimer Zeitung, Sossenheimer Wochenblatt seit 1963 und Der Sossenheimer 1977-1979. Es gilt die Einschränkung: Die Vielzahl der Sossenheimer Belege und Urkunden in den verschiedenen Sachgebieten mit fast 4.000 Treffern in Datenbanken konnten nur teilweise und begrenzt untersucht und ausgewertet werden.

3.    Zusammenfassung

Ziel meines Buches ist die Neuauflage und Fortführung der Sossenheim-Chronik unter Ausschöpfung der heutigen technischen Möglichkeiten. Der Fachliteratur möchte dieses Buch keine Konkurrenz machen. Es wendet sich an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger unseres Stadtteils und in der Umgebung, auch an alle Zugezogenen jeder Herkunft. In 41 Artikeln zeige ich die Geschichte und Entwicklung des Straßendorfs zum 28. Stadtteil Frankfurts als Pfadabhängigkeit  der Geschichte: römische Besiedelung an der Steinstraße/Elisabethenstraße, am Bonifatiusweg, an der europäischen Handelsstraße Via Regia, heute an zwei Autobahnen und einem der meistbe-fahrenen Autobahnabschnitte Deutschlands.
Gekennzeichnet ist Sossenheim einerseits als Pendlervorort seit der Industrialisierung und nicht erst mit seinen 1959 bis 1993 entstandenen fünf Betonwohnsilos ohne Infrastruktur, die Sossenheim in die Medien brachten, ebenso wie die fünf Verkehrsverbindungen und Fließgewässer mit Sulzbach-Überschwemmungen. Die monofunktionalen Schlafsiedlungen für Pendler  am Frankfurter Grüngürtel verlangen heute Vorgehen gegen Prekarisierung  und Verslumung und soziales Quartiersmanagement . Weiter gehören dazu Renovierung der Großsiedlungen sowie das Haus des Jugendrechts und der erste Präventionsrat Frankfurts von 1997.  1993 schrieb und zeichnete Chlodwig Poth eine ironische, liebenswert-böse Cartoon-Reihe über seine Wahlheimat Sossenheim in seinem bekanntesten Buch „Last Exit Sossenheim“ . Damit hat er den Frankfurter Stadtteil Sossenheim mit seinem „Gebäudehaufen ohne Gesicht, Eigenart und Charme“ berühmt gemacht, ihm ein literarisches Denkmal gesetzt.
Andererseits ist seit 1985 im Osten das Gewerbegebiet „Silicon Sossenheim“ entstanden mit bald 15 Rechenzentren (Cloudfabriken), die Sossenheim mit dem Frankfurter Internetknoten verbinden und für über zwanzig Firmenansiedlungen sorgten.  

Schlusswort

Heute stehe ich als Stadtteil-Historiker und Chronist mit den Bürgern unseres Stadtteils und seinen fünf Siedlungen vor Fragen, wie wir die Gegenwart und die Zukunft bewältigen. Das funktioniert nur mit Mut, Zuversicht und viel Enthusiasmus. Ein erfreuliches Zeichen des Selbstbewusstseins der Sossenheimer Bürger und ihrer Liebe zum Stadtteil ist auch die Sorge um ihren alten Ortskern, den Kirchberg als jahrhundertelangen natürlichen Ortsmittelpunkt. Durch den Heimat- und Geschichtsverein mit seinen Patenschaften, Sossenheimer Schlaglichtern, historischen Rundgängen und dem Geschichtspfad mit den 16 Sossenheimer Kultur- und drei Naturdenkmalen wird ein Beitrag zum kulturellen Leben geleistet.
Vergessen sei an dieser Stelle auch nicht die kontinuierliche, langjährige ehrenamtliche Aktivität der vielen Tausend Sossenheimer in ihren über 60 Vereinen und Bürgerinitiativen. In ihren Vereinen kamen ihre Mitglieder auf den verschiedensten Gebieten zu Erfolgen und Meisterehren, Ehrenbriefen und Verdienstorden bis Römer-Plaketten für ehrenamtliches Engagement. Zu den über zwölf regelmäßigen Sossenheimer Veranstaltungen treffen sich alle Sossenheimer.  
Auch in der digitalen Welt können wir dazu beitragen, dass Sossenheim unsere Heimat bleibt und digital sichtbar ist, etwa durch die Teilnahme an https://www.facebook.com/DeinSossenheim/ oder am Sossenheim – Online Magazin für Sossenheim https://www.sossenheim-online.de/ und Blog Mainrausch Last Exit Sossenheim: Auf der Suche nach den echten Frankfurtern | Mainrausch

Über den Autor:
Mein Name ist Heinz Hupfer, geboren am 11.12.1947. Aufgewachsen in Frankfurt- Sossenheim, Besuch der Robert-Blum-Volksschule in Höchst und Abitur am humanistischen Heinrich-von-Gagern-Gymnasium in Frankfurt. Jura-Studium in Frankfurt und in Genf. Danach war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter, Rechtsanwalt und dann Leiter einer Rechts- und Mahnabteilung. Nach Insolvenz meines Arbeitgebers arbeitete ich auch als Vollstreckungsbeamter einer Krankenkasse und zuletzt war ich Leistungsgewährer im Jobcenter Pro Arbeit im Kreis Offenbach. Über 10 Jahre ehrenamtliches Engagement als Rechts- und Sozialberater in der Caritas St. Josef Höchst und beim KAB-Diözesanverband Limburg im Haus der Volksarbeit Frankfurt bis COVID 19 sowie stellvertretender Vorsitzender KAB Sossenheim, Gründungsmitglied und zeitweise Arbeit im Vorstand Heimat- und Geschichtsverein Sossenheim. Seit 2013 Studium an der U3L Frankfurt.
Meine Untersuchung wurde angeregt durch den Stadtteil-Historiker Adalbert Vollert und seine Chronik „Sossenheim“ von 1980. Neuere Forschungsergebnisse betreffen etwa Steinzeitsiedlungsfunde der Linienbandkeramik, ein römisches Gräberfeld sowie Schlachtfeldfunde von der „Schlacht bei Höchst 1622“. Armenpflege und medizinische Versorgung bei zwei Volkskirchen war mein weiterer Untersuchungsgegenstand sowie die Verfolgung Sossenheimer Juden und die Initiierung von Stolpersteinen. Verfolgung der Katholiken mit Beispiel Juliane Kinkel, katholische Christin im Widerstand, die als Dolmetscherin und Sozialarbeiterin französischen Zwangsarbeitern hilft. Stolperstein 2024 für jüdische und russische Zwangsarbeiter in der Ziegelei und 1945 nach Kriegsende mindestens 158 „Russengräber“.  
Die augenfälligen Veränderungsprozesse seit 1959 sind einmal der Bevölkerungsanstieg auf 16.245 Einwohner in fünf Großsiedlungen, die der Wahlsossenheimer und Karikaturist Chlodwig Poth 1993 mit seinem Buch „Last Exit Sossenheim“ bekannt gemacht hat. Zum anderen entsteht seit 1985 das Gewerbegebiet „Silicon Sossenheim“ mit acht Cloudfabriken und Rechenzentren sowie mehr als zwanzig Firmenansiedlungen.  
Meine Arbeit ist seit 2022 online. Sie kann kostenlos heruntergeladen werden: (PDF) Sossenheim Chronik