Auf all meinen Reisen sind es immer die Menschen, die mich am meisten faszinieren und zum Fotografieren verleiten. Ähnlich erging es mir, als ich mit meiner Vorstandskollegin die Inventarisierung alter Fotografien im Archiv des Heimat- und Geschichtsvereins Schwanheim e. V. übernahm.
Die ältesten Bilder sind mehr als 130 Jahre alt, manche Aufnahmen weisen schon etwas bläuliche Schattierungen auf, aber meistens sind sie noch gestochen scharf. Fast ausschließlich entstanden sie in Fotoateliers, denn in den Anfangsjahren der Fotografie konnten Bilder nur von Profis aufgenommen werden. Bis sich Laien eine Fotoausrüstung leisten und sie bedienen konnten, gingen noch viele Jahre ins Land.
Demzufolge entstanden Fotografien vor allem zu besonderen Anlässen wie Hochzeit, Kommunion oder Konfirmation, aber auch Porträts, Familienfotos und Gruppenaufnahmen waren in Mode. Auffällig ist, dass viel mehr Fotos von Männern als von Frauen erhalten geblieben sind. Dennoch waren es gerade diese wenigen alten Aufnahmen von Schwanheimer Frauen, die mein Interesse weckten und meinen Entschluss stärkten, mehr über ihr Leben zu erfahren. Als Problem erwies sich allerdings, dass von „normalen“ Frauen fast keine Unterlagen erhalten sind.
Der Weg führte daher zuerst zu „bekannten“ Männern und deren Frauen. Nur über diese Frauen zu berichten war mir aber zu wenig. Bald wurde mir klar, dass es darüber hinaus zwei Gruppen von Frauen waren, zu denen Bilder und Dokumente erhalten geblieben sind. Schon bei der Museumsneugestaltung im Jahr 2003 hatte ich mich mit den Schwanheimer Nähmädchen beschäftigt. So war es für mich fast selbstverständlich, diesem Berufszweig auch bei der Bildersuche nachzugehen.
Der Weg führte zuerst zu Prof. Dr. Wilhelm Kobelt. Der erste Schwanheimer Arzt, Wissenschaftler und praktische Volkswirt hat eine Fülle an gedruckten Spuren hinterlassen. In seinem Buch „Heimatkunde und Heimarbeit“ beschreibt er sehr anschaulich den steinigen Weg der Nähmädchen aus der Heimarbeit in die Selbstständigkeit und in die Arbeit in den Hemdenfabriken. Durch viele Gespräche, Bilder und Recherchen konnte ich dieses Kapitel bis in die 1960er-Jahre beleuchten.
Klassenfotos waren die zweite Quelle für einen großen Teil der Personenfotos. Fast in jedem Haushalt gab und gibt es diese – und so gelangen auch viele in das Archiv. Auf ihnen ist sehr gut nachzuvollziehen, ab wann auch Frauen in den Lehrerberuf eintreten konnten. Sehr hilfreich war hier die Chronik der Schwanheimer August-Gräser-Schule. Als erste Lehrerin wird Fräulein Margarethe Jäger 1876 erwähnt. Sie ist auch 1885 gemeinsam mit ihrer Kollegin Katharina Paulus auf einem Foto des damaligen Lehrerkollegiums zu sehen.
»Es waren gerade die wenigen alten Aufnahmen von Schwanheimer Frauen, die mein Interesse weckten und meinen Entschluss stärkten, mehr über ihr Leben zu erfahren.«
Weitere Recherchen ergaben viele Einzelheiten zu der Ehefrau von Prof. Dr. Wilhelm Kobelt, den Frauen der Familie Gastell und zu der letzten in Schwanheim tätigen Ordensschwester. Aber auch Fotos von Frauen, über die es nur wenig oder keine Informationen gab, fanden wegen ihrer Originalität oder der typischen Art der Fotografie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Weg in den Museumsboten „Die Port“, erschienen im März 2016 unter dem Titel „Schwanheimer WeibsBilder: Lebensbilder – Lebenswege“.