Häuser und Straßen

Nied – ein Dorf zwischen den Fronten

von Adalbert Vollert

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Die Weltgeschichte zwischen Französischer Revolution und dem Wiener Kongress spielte sich nicht nur in Paris, Berlin und St. Petersburg ab. Dem Stadtteil-Historiker und ausgewiesenen Spezialisten für Regionalgeschichte Adalbert Vollert ist es zu verdanken, dass eine Brücke über die Nidda, gelegen im Frankfurter Stadtteil Nied, die ihr angemessene Würdigung findet.

Denn dort tobte mehr als eine Schlacht zwischen den gegen Frankreich verbundenen Heeren und den mal angreifenden, mal abrückenden Truppen der Revolution. Nied lag (und liegt immer noch) am entscheidenden Übergang nach Höchst, wo damals wie heute eine wichtige Verkehrsader entlangführt. Nur den Namen hat man geändert: aus der „Hohen Landesstraße“ nach Mainz wurde die „Mainzer Landstraße“.

Gleich mehrfach stand die Brücke bei Nied im Mittelpunkt des von Vollert minutiös rekonstruierten und nachgezeichneten Geschehens. Das Hin und Her der Koalitions- und Befreiungskriege führte immer wieder über die Nidda – Richtung Mainz und damit Richtung Frankreich oder von da über Frankfurt weiter in diverse Kleinstaaten und schließlich in preußisches Gebiet.

Doch bleibt das Werk von Adalbert Vollert keineswegs bei einer Aufzählung der Schlachten oder einer reinen Kriegsgeschichte stehen. Völlig zu recht trägt es seinen Titel, in dem das Schwergewicht auf dem „Dorf“ Nied liegt. Denn weite Teile des Buches sind dem dörflichen Alltagsleben gewidmet, dem Leben und Streben, den Schicksalen seiner Bewohner um 1800. Auch der Fluss selbst, die Nidda, kommt vor. In einem heute kaum noch vorstellbaren Ausmaß bestimmte er durch seine – unregulierten – Gewässer, seinen Sumpf, schließlich durch sein Niedrig- und Hochwasser das tägliche Leben. In dieser in weiten Teilen natürlichen, landwirtschaftlich allenfalls extensiv genutzten Landschaft, stellte eine befestigte Straße in der Regel die einzige Verbindung von einem Punkt zum anderen dar.

»Die von mir geschilderten kriegerischen Ereignisse beherrschten das Leben einer ganzen Generation – und sind doch völlig in Vergessenheit geraten.«

In einem in Vollerts Buch zitierten zeitgenössischen Reisebericht aus dem Jahr 1801 heißt es: „Hier bin ich am Gestade der Nidda, dem Schauplatz so mancher blutiger Auftritte während des verflossenen Krieges [2. Koalitionskrieg]. ... Die Linie, die man zu verteidigen hatte, war immer zu lang für das kleine Corps, das man hier stellen konnte, und so empfanden die unglücklichen Bewohner der Ufer dieses Flusses fast jährlich einmal die Geißel des Krieges. – Das Dorf Nied, das man hier passiert, hat dieses vorzüglich [= vor allem] hart getroffen. An seinem Ausgange nach Höchst zu, ist die Brücke über den jetzt kleinen Fluß, der aber manchmal heftig anschwillt. Jenseits desselben standen die Franzosen und feuerten auf die Teutschen, die sich diesseits verteidigten. – Man sehe die Häuser des Dorfes zur Rechten und zur Linken! Sie sind verwüstet und von Kugeln durchlöchert... Während des Gefechts brannte es im Dorfe. Man denke sich das Entsetzen der Landleute, die ihre Häuser brennen sehen, und den Feind nur hundert Schritte von ihrem Dorf erblicken.“

Soweit der Bericht des Zeitgenossen. Doch damit nicht genug. „Weitere 14 schwere Kriegsjahre folgten“, so Vollert. Doch belässt er es nicht bei dieser nüchternen Feststellung, sondern führt in einem annalistischen Abschnitt die Folgen und Kosten der Kriege für Nied detailliert auf. Auch eine Liste mit 52 Geschädigten aus dem Jahre 1795, als die französische Kavallerie die Nidda Richtung Osten überschreiten wollte und die im Dorf verschanzten Kaiserlichen angegriffen hatte (so geschehen am 12. Oktober), führt er an. In dieser Liste werden auch die Einkommensquellen der geschädigten Dorfbewohner deutlich. Am meisten litt demnach offenbar Johann Tempel, der Schankwirt „Zum grünen Baum“, unter wirtschaftlichen Verlusten. Listen und Erläuterungen dieser Art, in denen das tägliche Leben schmucklos und ohne falsche Verklärungen sichtbar wird, gehören neben den zahlreichen Illustrationen und Karten zu den Besonderheiten dieses Buches.