Seit 2009 lebe ich mit meiner Familie in Frankfurt-Goldstein. Durch meine Kinder habe ich viele andere Kinder und deren Eltern kennengelernt. Es gibt eine Rutsche, auf der die Kinder seit mehreren Generationen spielen. Das ist in unserer heutigen globalen Welt, in der Menschen aus verschiedenen Gründen ständig ihren Ort wechseln, etwas Besonderes.
Goldstein wird immer wieder als kleines Paradies bezeichnet, und einige Bewohner kommen nach Ausbildung oder Studium gerne wieder zurück an den Ort ihrer Kindheit.
»Während des Projekts habe ich festgestellt, dass mich etwas Wichtiges mit den Menschen hier verbindet, und zwar die Tatsache, dass auch ich mir mit meiner Familie hier ein neues Zuhause schaffen konnte.«
Die Themen Kindheit und Kindheitserinnerungen haben mich immer gereizt, insbesondere die Frage, wie sich die Kindheit von Generation zu Generation verändert und wie sie sich in verschiedenen Kulturen unterscheidet. Ich entschied mich, meine Antworten hauptsächlich in Fotos zu suchen: Wie leben die Kinder in Goldstein? Wie gestaltet sich ihr Alltag? Wie haben die Eltern und Großeltern dort ihre Kindheit erlebt? Was hat sich im Lauf der Zeit verändert? Welche Spiele und Spielzeuge nutzen die Kinder? Wo spielen sie? Wie sieht ihre Kleidung aus? Wie ist ihre Körperhaltung vor der Kamera? In welchen Situationen werden die Kinder fotografiert?
Ich fing an, bei Nachbarn und Eltern Fotos zu sammeln. Es war mir wichtig, Fotos von Angehörigen zu erhalten, und nicht nur in Büchern und Bildarchiven zu suchen. Mit großer Freundlichkeit und Großzügigkeit wurden mir die persönlich wertvollen und unersetzlichen Fotos ausgeliehen. Begegnungen und Gespräche ergänzten meine Eindrücke und vergegenwärtigten mir, wie Kinder in Goldstein aufwuchsen. So wurde der Prozess des Sammelns ein erfahrungsreicher Teil meiner Arbeit.
Darüber hinaus habe ich mich mit den Fotografien künstlerisch auseinandergesetzt. So sind großformatige Gemälde entstanden, die in einer Ausstellung im Heimatclub Goldstein neben Fotografien zu folgenden Themen präsentiert wurden:
Kinder und Natur
Die Häuser in Goldstein sind Siedlungshäuser aus den 1930er-Jahren und haben große Grundstücke, die bewirtschaftet wurden und so dem Lebenserhalt dienten. Viele Fotos zeigen Kinder in Gärten, auf Bäumen, auf Spielplätzen oder im Wald beim Picknicken und Spielen mit ihren Familien. Früher konnten sie noch gefahrlos auf der Straße spielen.
Kinder und Tiere
Viele Goldsteiner hielten früher auf ihrem Grundstück Tiere, mit denen auch die Kinder viel Zeit verbrachten. Die Fotos aus den 30er-Jahren zeigen Kinder mit Ziegen, Schweinen und Hühnern. Tiere waren wichtige Spielkameraden, aber sie mussten auch versorgt werden.
Musik und Kultur
Zahlreiche Fotos von früher und heute dokumentieren verschiedene Feste und Feierlichkeiten, begleitet von Musik und Tanz. Es gab Tanzgruppen, die sowohl in Goldstein als auch überregional präsent waren.
Baustellen
Der Bau der Siedlung wurde 1932 begonnen. Viel wurde im Krieg zerstört und danach wieder aufgebaut. Seit den 1960er-Jahren bis heute werden viele Häuser vergrößert oder neu gebaut.
Krieg
Der Zweite Weltkrieg hat auch das Leben der Kinder entscheidend geprägt. Armut und Not haben das Fotografieren in dieser Zeit weitgehend verhindert. Deshalb habe ich versucht, in meinen Gemälden die Kriegszeit anzudeuten, beispielsweise durch die Darstellung von Männern in Uniform, durch die Reste einer Fliegerbombe, die nach dem Krieg im Garten eines Hauses in Goldstein gefunden wurde, oder durch die dunkel gestrichenen Hausfassaden.
Sich mit der Geschichte eines Ortes vertraut zu machen, in dem man länger lebt und dessen Bewohner man kennenlernt, macht das Leben viel angenehmer und bewusster. Während des Projekts habe ich festgestellt, dass mich etwas Wichtiges mit den Menschen hier verbindet, und zwar die Tatsache, dass auch ich mir mit meiner Familie hier ein neues Zuhause schaffen konnte.