Migration und Neuanfänge

Herkunftsgeschichten Rödelheimer Geschäftsleute

von Christoph Busch

 

Der Bahnhof Rödelheim. Foto: Saskyaphoto.com
Der Bahnhof Rödelheim. Foto: Saskyaphoto.com

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Herkunftsgeschichten Rödelheimer Geschäftsleute“ ist der Titel meines kleinen Buches. Es ist ein Beitrag zur Migrationsgeschichte des Stadtteils. Vierzehn Frauen und Männer waren bereit zu einem, zumeist auch zu mehreren Gesprächen.

Sie berichten von ihrem Weg, den sie aus unterschiedlichen Ländern in den Frankfurter Stadtteil Rödelheim genommen haben: Aus der Türkei und aus Kroatien, aus England, Spanien, Indien, Polen, Vietnam, aus Eritrea, Marokko und Italien. Heute leben und arbeiten sie im Stadtteil als Schneider und Friseur, Druckerei- und Copyshop-Besitzer, Designerin, selbstständiger Krankenpfleger, freiberufliche Lehrerin für Business English, Gebäudereiniger, Restaurantbesitzer, Imbissbesitzerin und als Obst– und Gemüsehändler.

Die meisten von ihnen leben bereits seit vielen Jahren hier, manche seit Jahrzehnten, aber ihre Herkunftsgeschichte ist bis heute in ihnen lebendig. Bei meinen Gesprächen mit ihnen war mir ihre eigene Art und Weise zu reden wichtig. Ich wollte ihr persönliches Erinnern verstehen. Ich habe darum unmittelbar nach jedem Gespräch ein möglichst genaues Gesprächsprotokoll angefertigt, das ich jeder und jedem meiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zeitnah vorgelegt und sie jeweils um ihre Bestätigung oder Korrektur gebeten habe. Jede und jeder von ihnen hat davon Gebrauch gemacht.

Beim Erzählen ihrer Herkunftsgeschichte setzen sie jeweils eigene Akzente: Einige erzählen ausführlich von dem Ort, in dem sie Kind waren, andere berichten davon, wie sie in Deutschland zurechtgekommen sind und wie sie sich hier eingelebt haben. Andere reden akzentuiert von politischen Verhältnissen, andere legen religiöse Überzeugungen als ihr persönliches Bekenntnis dar. So sehr sich die verschiedenen Erlebnisse voneinander unterscheiden, so finden sich doch drei Lebenserfahrungen in jeder der von mir protokollierten und in meinem Buch dokumentierten Herkunftsgeschichten: Sie alle haben bereits in ihrer Kindheit die zentrale Bedeutung der Arbeit erfahren. Und: Der Zusammenhalt der Familie war für jede und jeden von ihnen von elementarer Bedeutung selbst dann, wenn die Eltern bereits wegen ihrer Arbeitssuche in ein anderes Land gegangen waren und man selbst als Kind von Oma oder von Opa umsorgt und erzogen wurde. Schließlich: Keiner von meinen Gesprächspartnern hat nach seinem eigenen Weggang in eine neue Heimat mit seinem Herkunftsland gebrochen. Selbst derjenige, dem es aus politischen Gründen verwehrt ist, wieder zurück in sein Herkunftsland zu gehen, führt heute in Rödelheim ein Restaurant mit kulinarischen Spezialitäten - eben aus diesem seinem Herkunftsland.

Zur besseren Einordnung der Herkunftsgeschichten in die Situation des Stadtteils habe ich die zentrale Einkaufsstraße Rödelheims in einem Text porträtiert. Und ich habe zur Situation des Stadtteils drei weitere Gespräche geführt. Eines zum Thema Nachbarschaft, ein zweites Gespräch über das Zusammenleben im Stadtteil, schließlich ein Gespräch über die jüngere Generation und was für sie für das Thema „Herkunftsgeschichten“ bedeutet. Schließlich ist meinem Text ein Verzeichnis der Literatur beigefügt, die mir geholfen hat, die Migrationsgeschichte des Stadtteils in einem weiteren Zusammenhang zu verstehen.

Eigens für das Buch sind aktuelle Fotos angefertigt worden. Eine junge spanische Fotografin, selbst langjährige Rödelheimerin, hat sie fotografiert. Das Buch wurde gedruckt in einer Rehaeinrichtung des Stadtteils. Wenn Sie sich für das Buch interessieren, wenden Sie sich bitte an die Stiftung Polytechnische Gesellschaft (Dr. Katharina Uhsadel, uhsadel@sptg.de).

Über den Autor

Christoph Busch

Christoph Busch lebt seit seiner Pensionierung in Rödelheim. Er war in Frankfurt an unterschiedlichen Stellen als evangelischer Pfarrer tätig, zuletzt in Frankfurt Bockenheim. In den letzten Jahren hat er sich – neben kirchlichen Diensten – vor allem in der Flüchtlings- und Migrationsarbeit engagiert. Für ausländische Strafgefangene hat er in einer Justizvollzugsanstalt Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, in einer Grundschule im Bahnhofsviertel war er ehrenamtlich in der Leseförderung tätig und in Rödelheim organisiert er seit Jahren den „Presseclub“, einen Treffpunkt für ältere Männer mit einer Migrationsgeschichte. Er ist verheiratet und hat aus zwei Ehen vier Kinder und sieben Enkelkinder.