1976 wird an der Johann Wolfgang Goethe-Universität erstmals ein ausschließlich aus Frauen bestehender Allgemeiner Studentenausschuss vom Studentenparlament gewählt. Vom ersten und bisher einzigen Frauen-AStA der damaligen Bundesrepublik gibt es bislang im Universitätsarchiv drei Fotos und einige Artikel im Uni-Report.
Obwohl die siebziger Jahre sehr bewegte Zeiten waren, ist öffentlich zugängliches Material selten. Ich selbst war Mitglied im Frauen-AStA und habe ein umfangreiches Privatarchiv, bestehend aus verschiedenen Papieren wie Presseerklärungen, Informationsbroschüren, Flugblättern, Zeitungsartikeln, Plakaten und Fotos, erst kürzlich wieder entdeckt. Unterstützt vom Universitätsarchiv, dem Institut für Stadtgeschichte und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft im Rahmen des Projekts „Stadtteil-Historiker“ erforsche und erzähle ich die Geschichte des Frauen-AStA. Ich habe das gesamte Material dem Archiv der Universität Frankfurt übergeben, um es für eine zukünftige Forschung verfügbar zu machen.
Es war nur ein Jahr, von Oktober 1976 bis Dezember 1977, in dem wir Frauen den AStA, den Allgemeinen Studentenausschuss, der Johann Wolfgang Goethe-Universität stellten. Dieses Jahr war ereignisreich, es verdichteten sich Geschehnisse, die oberflächlich betrachtet scheinbar nichts miteinander zu tun hatten. Und wir Frauen vom AStA waren mit dabei, wir wollten etwas bewegen. In den siebziger Jahren war Frankfurt eine Hochburg der linksradikalen Sponti-Szene und der Frauenbewegung. Stichworte dazu sind: Häuserkampf, Demonstrationen, Hausbesetzungen, knüppelnde Polizei, hitzige Diskussionen, militante Aktionen, Frauenzentren und -demonstrationen. Aber nicht nur Spontis und Frauengruppen, sondern auch K-Gruppen, die sich zum Marxismus-Leninismus maoistischer Prägung bekannten, Gewerkschaftsgruppen, Nazis und nicht zuletzt die RAF drückten dieser Zeit ihren Stempel auf.
Im Sommer 1976, vor der AStA Wahl, war das Uni-Frauenplenum entstanden, angeregt durch ein Infoblatt des Frauenreferats im AStA. Die Idee zu gemeinsamer Frauenarbeit kam weniger vom Frauenzentrum oder anderen außeruniversitären Frauengruppen, sondern von Frauen an der Uni, die ihre Zusammenhänge in gemischten, aber männlich dominierten Gruppen hatten. Eine übergreifende Öffentlichkeit zur Situation der Frauen an der Uni gab es nicht. Erstmals wurde das Uni-Frauenplenum, ein umfassendes Diskussionsforum für Studentinnen, durchgeführt. Aus diesem Kreis heraus entstand die Idee, nicht mehr isoliert in der Frauenecke im AStA zu arbeiten, denn wenn schon, dann könne frau doch gleich den ganzen AStA machen.
Wir wollten Strukturen verändern, ein Zeichen setzen, gegen dogmatische K-Gruppen, auch gegen unsere eigene, männlich geprägte Sponti-Linken-Szene. Über die Gruppen der damaligen Neuen Frauenbewegung hinaus wollten wir als Frauen allgemeine Politik gestalten. Wir stellten das Projekt Frauen‑AStA innerhalb der Sponti Hochschulgruppe, welche seit ein paar Jahren mehrheitlich den AStA betrieb, zur Diskussion. Dies stieß nicht gerade auf Begeisterung. Gemessen am allgemeinen Emanzipationsanspruch aber gab es für ein „Weiter so wie bisher“ allerdings keine guten Argumente. So wählten die Männer des Studentenparlaments als erste Vorsitzende Felicitas Schneck (SHI), als Stellvertreterinnen Heidemarie Renk (SHI) und Rita Häfner (Jusos). Mit Brigitte Heinrich (SHI) bekam auch das Studentenparlament eine Präsidentin.
Meine Arbeit über die Geschichte des Frauen‑AStA ist im Blog des Archivs der Universität Frankfurt publiziert. Das übergebene Material umfasst weitaus mehr Themen als die im Artikel erzählten Ereignisse, deshalb bietet es sich an, in einem nächsten Schritt eine Dokumentation zu erstellen.
https://archivblog.uni-frankfurt.de
Über die Autorin
Rosemarie Hassel
Rosemarie Hassel lebt seit 1973 in Frankfurt. Davor war sie einige Jahre als Beamtin berufstätig, sie wechselte ans Hessenkolleg Frankfurt, um über den Zweiten Bildungsweg mit Abitur abzuschließen. An der Goethe-Universität in Frankfurt studierte sie anschließend Erziehungswissenschaften, Soziologie, Psychologie und Spanisch mit Abschluss Diplom. Sie verbrachte ein Jahr ihrer Studienzeit an der Universidad Barcelona. Während des Studiums war sie von 1976 bis 1977 Mitglied im ersten Frauen-AStA der Universität Frankfurt.
Beruflich arbeitete sie als Quereinsteigerin in der IT-Abteilung eines amerikanischen Konzerns. Sie erlebte die Entwicklung der Digitalisierung ab den achtziger Jahren mit großen wassergekühlten Systemen bis hin zu ersten vernetzten Serverlandschaften der Jahrtausendwende. Innerbetrieblich ausgebildet als Computer Systems Engineer ist sie seit 2014 im Ruhestand.
Seit der Studienzeit interessiert sie sich für Politik, Kunst und Kultur sowie für die Stadtgeschichte Frankfurts und nimmt immer wieder an politischen und kulturellen Aktivitäten in Frankfurt teil.