Bei einem Vortragsabend des Harheimer Kulturvereins im Jahr 2010 wurden Fragen nach der Zwangseinweisung der Heimatvertriebenen nach 1945 gestellt. Nach der Veranstaltung fragte Karl-Heinz Fritz, Stadtteil-Historiker aus Heddernheim und Mitglied des Harheimer Kulturvereins, ob ich nicht darüber ein Buch schreiben wolle.
Da kamen mir Geschichten meiner Urgroßmutter, der Dorfhebamme, wieder in Erinnerung. Mein Großvater aus dem Saargebiet, meine Tante und meine beiden Cousinen waren 1943 in ihrer Heimat ausgebombt worden und kamen zu unserer Familie nach Harheim. Die Urgroßmutter hatte noch ein kleines Zimmer, in dem der Großvater untergebracht wurde. Tante und Cousinen kamen in einen benachbarten Bauernhof. Als dann 1946 die Heimatvertriebenen nach Harheim kamen, mussten meine Verwandten den Stadtteil wieder verlassen – in eine ungewisse Zukunft. Die Urgroßmutter musste zwei Zimmer ihrer Wohnung abgeben, die Küche mit den Heimatvertriebenen teilen.
»Harheim wurde 1972 nach Frankfurt eingemeindet, es hat sich den dörflichen Charakter erhalten. Um Harheim liegt ein Grüngürtel, der den Stadtteil umschließt und der das Gefühl gibt, noch ein gewisses Eigenleben zu haben.«
So fing ich an, in Archiven und mit Zeitzeugen Material zu sammeln. Der damalige Bürgermeister Müller legte 1946 ein Programm zur Bebauung vor, das schnellstens wenigstens die größte Not lindern sollte. Aber es gingen noch fast zehn Jahre ins Land, bis die ersten Bauplätze ausgewiesen werden konnten. So lange waren besonders die zehn Großfamilien auseinandergerissen, auf die Höfe verteilt. Auch die Harheimer selbst litten in der Zeit Not und es war allgemein „Schmalhans Küchenmeister“.
Die Kriegsgefangenen kamen erst nach 1946 wieder nach Hause, und langsam zog eine gewisse Normalität ein. Da mussten die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge immer wieder umgesiedelt werden. Frankfurt musste wiederaufgebaut werden, und so hatten viele bald Arbeitsplätze bei den Amerikanern, der Post und der Bahn. Auch die Industrie, die durch Bombenangriffe schwere Verluste erlitten hatte, musste die „ausgesiedelten“ Maschinen und Geräte zurückholen. Harheim, das auf einmal um 400 Personen angewachsen war, platzte bald aus den Nähten, die hygienischen Zustände wurden unzumutbar, kein Haus verfügte über ein Bad und Toilette. Wir Nachkriegskinder mussten mit drei Klassen in einem Raum unterrichtet werden. Erst 1960 bekamen wir eine neue Schule.